Zu wenig Teamwork unter Lehrern? Böhm kritisiert Schleicher: „Anmaßend“

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BERLIN. Schüler implizit als bloße Werkstücke und Lehrkräfte als Fließbandarbeiter zu bezeichnen, die sich zu wenig für einen guten Unterricht einsetzten, sei „schlichtweg falsch und ignorant“ – meint Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR), zu Äußerungen von PISA-Chef  Andreas Schleicher zum Jahresbeginn. Der OECD-Bildungsdirektor hatte in einem Interview vergangene Woche erklärt, „in Deutschland ist der Schulbetrieb wie eine Fabrikhalle organisiert. Die Lehrer werden viel zu oft wie Fließbandarbeiter behandelt, deren Meinung nicht gefragt ist“ (News4teachers berichtete).

"Der Leistungsgedanken muss an Schulen zentral sein": VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm. Foto: VDR
„Schlechtreden à la OECD „: VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm (Foto) kritisiert Andreas Schleicher. Foto: VDR

Böhm unterstrich nun, dass Lehrkräfte in einer Welt, die durch immer größere Veränderungen geprägt ist, wertvolle Arbeit im Umgang mit den Kindern und Jugendlichen leisteten. Mit Einsatz, Empathie und fachlichem Vermögen meisterten sie täglich „auf hervorragende Weise“, die Schülerinnen und Schüler auf ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben vorzubereiten. Durch eine individuelle, bedarfsgerechte und passgenaue Förderung unterstützten sie „jedes Talent“ und gingen auf jeden Einzelnen ein. „Nicht umsonst gelingt den Schulabgängern in Deutschland im internationalen Vergleich der Wechsel ins Berufsleben am besten. Nicht umsonst haben wir in Deutschland die geringste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa! Ein Schlechtreden à la OECD hilft weder den Schülern, den Lehrkräften noch der Bildung in unserem Land“, befand der Verbandschef.

Es sei überheblich und anmaßend, davon auszugehen, dass Lehrkräfte nicht teamfähig seien, obwohl sie tagtäglich mit Schülerinnen und Schülern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen und dem schulischen Umfeld intensiv zusammenarbeiteten. Eine solche Einstellung zeuge nicht von Wertschätzung gegenüber einem Berufsstand, der „unter zum Teil schwierigsten Rahmenbedingungen, in sozialen Brennpunkten und mit hoher Professionalität beste Arbeit“ leiste. Es hätte Deutschland in den letzten Jahren gut getan, in bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen und in die Wertschätzung für Lehrkräfte zu investieren, statt in strukturelle Dauerschulreformen. „Ohne das große Engagement der Mehrheit unserer Lehrkräfte, deren Beruf und vor allem Berufung es ist, die Heranwachsenden auf die Welt von heute und morgen vorzubereiten, wäre Deutschland in seiner gesellschaftlichen Entwicklung und wirtschaftlichen Stärke nicht da, wo es heute ist“, meint Böhm.

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„Schluss mit dem Einzelkämpfertum“

Schleicher hatte kritisiert, viele Lehrer in Deutschland seien zu fixiert darauf, „dass eine Vorgabe aus dem Ministerium kommt – oder ein neues Lehrbuch“. Jeder Lehrer sollte selbst so viel wie möglich darüber nachdenken, was der richtige Unterricht sei, um die Kinder auf die Welt von morgen vorzubereiten. Schleicher forderte auch mehr Kooperation: „Es muss Schluss mit dem Einzelkämpfertum in den Klassenräumen sein.“ Lehrer müssten viel mehr gemeinsam Unterricht vorbereiten und auf Plattformen gezielt Unterrichtskonzepte austauschen. Da seien andere Länder viel weiter. (News4teachers berichtete.)

Tatsächlich ergab eine repräsentative Umfrage unlängst, dass in Deutschland fast jede zweite Lehrkraft ihren Unterricht lieber allein plant. Nur rund 40 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer arbeiten danach mindestens einmal im Monat in Fachgruppen zusammen, um Unterricht gemeinsam zu gestalten. Allerdings sind offenbar auch die Rahmenbedingungen nicht geeignet, um die Zusammenarbeit in den Kollegien zu fördern: Nur bei einem Drittel der Befragten gibt es an der Schule Räume, die für Teamarbeit geeignet sind. Und nur bei einem Viertel der Lehrkräfte sind die Stundenpläne so gestaltet, dass eine fachbezogene Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen während der Schulzeit möglich ist. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Einzelkämpfer statt Mannschaftsspieler: Fast die Hälfte der Lehrkräfte sagen, sie arbeiten lieber allein

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