Es gibt Lehrer, die vergisst man sofort, wenn sie die Klasse verlassen. Dann gibt es solche, bei denen einem heute noch ein Schauer über den Rücken läuft, wenn man an sie denkt. Es gibt gute Lehrer. Und dann gibt es solche wie meine Englischlehrerin.

Heute ist Weltlehrertag, da fiel mir ein, dass ich schon immer mal was über diese Lehrerin schreiben wollte.

Sie war voller Aphorismen. Einer davon war:  "If in doubt, leave it out." Ursprünglich dachte ich, damit meinte sie nur Kommata. Wenn man nicht sicher sei, solle man lieber keines setzen. Aber ihre Regel bezog sich, das stellten wir bald fest, genauso auf das Leben in Allgemeinen: Wenn ihr selbst schon ahnt, das könnte Quatsch sein, lasst es. Ich versuche bis heute, das zu berücksichtigen. 

Eine andere Weisheit von ihr war "Never mix, never worry". Sie hatte sie aus Who’s afraid of Virginia Woolf, ein Drama über verzweifelte Frauen, frustrierte Männer, über Kinderlosigkeit, Alkoholismus und Liebe, das wir mit ihr als Zehntklässler durchnahmen. Sie erklärte uns, dass damit sowohl Longdrinks als auch Männer gemeint waren. Auch das hat sich als ein kluger Ratschlag herausgestellt.

Sie versuchte nicht, uns mit Geschichten unserer Jugendwelt zu ködern. Sie biederte sich nie an. Sie schockierte uns lieber mit Einsichten in die Abgründe, die die Erwachsenen beschäftigten. Einen Jungen aus meiner Klasse, der sehr gerne fuck sagte, zwang sie einmal nach vorne zu kommen und bitte allen zu erklären, was das Wort bedeutete. Er schaffte es nicht. 

Twinset und Peitsche

Wir nannten sie Rita, so im Halbgeheimen, nach dem Beatles-Song Lovely Rita, den sie mit uns besprochen hatte. "Nothing will come between us."  Sie trug immer Perlenkette, Twinset und Faltenrock. Hätte die Queen sie überraschend zum High Tea gebeten, Rita wäre jederzeit bereit gewesen. Sie war streng, manchmal unerbittlich. Kam man am Samstag nicht zur Schule, schritt sie mit empört klackernden Pumps ins Lehrerzimmer und rief zu Hause an. Sie konnte sehr wütend werden. 

Sie verlangte alles von uns, und wer bereit war, ihr das zu geben, bekam alles zurück. Wir lasen Fitzgerald, Albee und Shakespeare mit ihr, wir analysierten Reden von Kennedy und Bush, Clinton und Thatcher, wir hörten die Beatles und Simon & Garfunkel und als Paul Auster in Köln las, bestellte sie uns ein.

Das Wichtigste, das ich von ihre lernte, aber war korrekt zitieren. Wir mussten unglaublich viel auswendig lernen bei ihr. Auf das, was jemand sagt, kann man nur eingehen, wenn man wirklich verstanden hat, was gesagt wurde. 

Viele Schüler fanden, sie verlange zu viel. Viele Kollegen, vor allem die, die der Reformpädagogik anhingen, ärgerten sich darüber, dass sie so große Erfolge hatte mit ihren Methoden aus den Anfängen der Pädagogik.

Sie war keine beliebte Lehrerin. Sie war eine geliebte Lehrerin.

Hatten Sie sie auch solche Pädagogen? Erzählen Sie uns von Ihren schlimmsten und besten Erinnerungen. An die Lehren, die Sie bist heute schätzen, und die, die Sie mit Erfolg ignorieren.  

In diesem Kommentarbereich werden nur Antworten auf die oben gestellten Fragen veröffentlicht. Bitte nutzen Sie zur Diskussion über verwandte Themen die Kommentarbereiche unter den entsprechenden anderen Texten auf ZEIT ONLINE.