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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Hass auf Schwule: Islamistischer Angriff auf homosexuelles Paar in Dresden

Homosexuelle müssten als "Ungläubige und Feinde Gottes bekämpft, geschlagen und getötet werden"

Am 04. Oktober 2020 wurde in Dresden ein schwules Paar von einem Islamisten mit zwei Messern angegriffen. Thomas L. wurde tödlich verwundet, sein Mann schwer verletzt. Es ist der erste islamistische Anschlag auf Homosexuelle in Deutschland. Am 21. Mai 2021 wird der Täter 2021 wegen Mordes, Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt zu 15 Jahren Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung unter Vorbehalt.

Blaulicht eines Polizeiautos

Am 04. Oktober 2020 wurden in der Innenstadt von Dresden Thomas und Oliver L., ein schwules Paar, von einem Islamisten mit zwei Messern angegriffen. Dabei wurde einer der Männer des Paares getötet, der andere schwer verletzt. Der Täter wurde am 21. Oktober verhaftet. Der Prozess begann am 12. April 2021 vor dem Oberlandesgericht Dresden. Abdullah al H. H. muss sich wegen Mordes, Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Es ist der erste islamistische Anschlag auf Homosexuelle in Deutschland.

Trotz erster Anzeichen für ein homosexuellenfeindliches Tatmotiv haben die sächsische Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium verschwiegen, dass es sich um ein mögliches LSBTIQ-feindliches Hassverbrechen gehandelt haben könnte. Dies wurde erst nach Medienrecherchen öffentlich.

Nachdem die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen hatte, wurde die tödliche Homophobie als Motiv anerkannt. „Das Verfahren läuft wegen des Verdachts des Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Ein mögliches homophobes Tatmotiv könnte bei dem Islamisten nahe liegen.“, so der Generalbundesanwalt. Zu Prozessbeginn am 12.04.2021 erklärte der Vorsitzende Richter, Hans Schlüter-Staats: "Seine Homophobie hat ihn dazu bewogen, sich gerade diese beiden Menschen auszusuchen."

Am 21. Mai 2021 erging das Urteil. Der Täter wird unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter stellten die besondere Schwere der Schuld fest, sodass eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen ist. Angeordnet wurde auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. Das Oberlandesgericht in Dresden folgte den Forderungen der Bundesanwaltschaft und verhängte die Höchststrafe.

Homosexuelle müssten als "Ungläubige und Feinde Gottes bekämpft, geschlagen und getötet werden"

Laut Anklage wurde das schwule Paar von ihm als Tatopfer ausgewählt, um sie "als Repräsentanten einer vom ihm als ungläubig abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung anzugreifen" und sie für ihre Homosexualität, »die er als schwere Sünde empfand«, mit dem Tode zu bestrafen. 

Während der Mörder vor dem Oberlandesgericht von seinem Schweigerecht Gebrauch machen möchte, hatte er sich, nach einem Bericht von spiegel online, in der Untersuchungshaft eingehend mit dem forensischen Psychiater, Professor Norbert Leygraf, unterhalten. »Er habe sie als Ziel ausgewählt, weil sie homosexuell seien«, so der Psychiater. Homosexuelle seien für den Angeklagten Feinde Gottes, die bekämpft, geschlagen und getötet werden müssten. 

"Wenn ich aus der Haft komme, werde ich hier in diesem Land Leute töten." Leygraf: »An dieser klaren Zielsetzung hat er nie einen einzigen Zweifel gelassen.

Sexuelle Orientierung der Opfer ist für Gewalttäter*innen nicht unbedeutend, sondern zentral

Kurz nach der Tat verschwiegen die sächsische Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium ein mögliches homosexuellenfeindliches Tatmotiv. Selbst nach Bekanntwerden wiegelte etwa der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt bei einer Pressekonferenz eine Frage nach Homosexuellenfeindlichkeit als Motiv unter Verweis auf laufende Ermittlungen ab. Er wolle sich nicht „zur sexuellen Orientierung von Tatopfern“ äußern. Das sei „nicht unsere Aufgabe“. Als ob Homosexualität etwas sei, über das nicht gesprochen werden darf, als ob sie per se irrelevant für ein Gewaltverbrechen sei.

Dieses Schweigen, diese Unbeholfenheit und Insensibilität bagatellisieren Gewalt gegen LSBTI. Sie machen sie unsichtbar und wiederholen so ein zentrales Muster von Homophobie und Transfeindlichkeit. Diese Ignoranz ist schmerzhaft und erschüttert einmal mehr das Vertrauen von LSBTI in Justiz und Sicherheitsbehörden. Denn für die Täter*innen ist die vermutete oder tatsächliche sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität der Opfer gerade nicht unbedeutend, sondern oftmals zentral. Der Hass auf LSBTI ist Auslöser für Hassverbrechen. Sicherheitsbehörden müssen das zumindest in Betracht ziehen und auch klar benennen.

Und dieser Umgang ist kein Einzelfall. Laut Bundesregierung gab es 2019 mindestens 564 Fälle von Hasskriminalität gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI), darunter 147 Gewalttaten. Die Dunkelziffer wird von offizieller Seite mit bis zu 90 Prozent angegeben. Trotzdem ist diese Gewalt auf keiner innen- und kriminalpolitischen Agenda. Noch nie hat der für innere Sicherheit zuständige Bundesinnenminister eine homophobe oder transfeindliche Gewalttat öffentlich verurteilt, noch nie hat er ein Wort zur Sicherheit von LSBTI gesagt, geschweige denn etwas dafür unternommen. Meist findet man in der Kriminalpolitik nicht einmal einen Funken von Problembewusstsein. Seit 1954 gibt es die Innenministerkonferenz als ständige Einrichtung. Noch nie stand auf einer dieser Innenministerkonferenzen homophobe oder transfeindliche Gewalt als Thema auf der Tagesordnung.

Ignoranz bagatellisiert und führt zu fehlendem Vertrauen von LSBTI in Sicherheitsbehörden

Deswegen muss sich als Erstes die Haltung in Politik, Behörden und auch Medien ändern. LSBTI-feindliche Gewalt ist keine Randerscheinung. Sie bedroht mitten in unserer Gesellschaft tagtäglich Menschen. Sie darf niemals bagatellisiert und unter den Tisch gekehrt werden. Der Kampf gegen LSBTI-feindliche Gewalt muss endlich eine sensibilisierte Beachtung und einen angemessenen Stellenwert in der deutschen Kriminalpolitik, bei Erfassung, Prävention und Strafverfolgung erhalten.

Dazu gibt es längst gute, jedoch noch wenige Beispiele: In Berlin werden seit einigen Jahren mutmaßliche homophobe oder transfeindliche Hintergründe von Straftaten ausdrücklich in den Polizeiberichten genannt. LSBTI-feindliche Hasskriminalität wird damit gesellschaftlich sichtbar gemacht. Das ist von zentraler Bedeutung. Berlin steht mit dieser Haltung aber bis heute weitgehend allein. Das muss sich ändern. Die Polizei in anderen Bundesländern sollten diesem Beispiel folgen.

Hass auf LSBTI ist Islamismus immanent

Laut Medienberichten erklärte der Täter schon vor Jahren seine Sympathie mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ und dessen gewaltverherrlichender Ideologie. Nur wenige Tage vor dem Attentat war er aus der Haft entlassen worden. Dort hatte er eine Jugendhaftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Werbung um Mitglieder oder Unterstützer*innen einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Sichverschaffens einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Körperverletzung und Bedrohung abgesessen. Als potenzieller Gefährder soll er auch vom Landesverfassungsschutz überwacht worden sein. Der Hass auf LSBTI ist dabei auch immanenter Bestandteil islamistischer Ideologie, den die Extremismusprävention und -bekämpfung in schockierender Weise immer wieder unter den Tisch fallen lassen. Das muss ein Ende haben.

Homophobie und Transfeindlichkeit gehören zum Kernbestand menschenfeindlicher und Gewalt legitimierender Ideologien wie Rechtsextremismus oder Islamismus. Hasskriminalität geschieht aber weit über den Bereich des politischen Extremismus hinaus. Es radikalisieren sich wesentlich stärker verbreitete gesellschaftliche und religiöse Mehrheitsmeinungen. So lehnen nach wie vor weite Teile der katholischen Kirche, orthodoxe Kirchen, evangelikale Gruppen und die meisten islamischen Verbände und Gemeinden in Deutschland gelebte Homosexualität als schwere Sünde ab. Sie unterscheiden sich aber in der Härte der Verurteilung.

Religiöse Autoritäten müssen Diskriminierung und Gewalt gegenüber LSBTI eindeutig und öffentlich verurteilen

Es ist unverantwortlich, wenn religiöse Autoritäten zu konkreten Fällen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber LSBTI konsequent schweigen oder sie nicht eindeutig und öffentlich verurteilen. Menschenverachtende, feindliche und hetzerische Predigen dürfen in den Gemeinden nicht geduldet werden. Es ist nicht von der Religionsfreiheit gedeckt, LSBTI die Grundrechte abzusprechen. Kein heiliger Text steht über den Rechten, die unser Grundgesetz garantiert.

Es gilt, gemeinsam für gleiche Rechte, gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegenseitigen Respekt zu streiten und jeder Ideologie der Ungleichwertigkeit entgegenzutreten. Homo- und Transphobie müssen dafür benannt, ernst genommen und aktiv bekämpft werden. Denn diese führt in letzter Konsequenz immer wieder zu Gewalt und tödlichem Hass.

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